Vermögensanlage im Ruhestand

Angesichts sinkender Versorgungsgrade spielt die private Vermögensanlage zukünftig eine entscheidende Rolle bei der Sicherung des Lebensstandards im Alter: Hinweise und Faustregeln für die Ruhestandsplanung.

Aktuell können Führungskräfte bei Renteneintritt mit Ruhestandsbezügen von circa 40 Prozent ihres letzten Arbeitseinkommens rechnen (vgl. VAA-Pensionärsumfrage 2012). Das ist auf den ersten Blick ein beruhigendes Ergebnis. Allerdings sinkt der Versorgungsgrad seit Jahren und betrug 1994 noch knapp 50 Prozent. Wegen der Umstellung von endgehalts- zu beitragsorientierten Betriebsrentensystemen und der generell höheren Besteuerung der Alterseinkünfte ist in der Zukunft mit weiteren Einbußen zu rechnen. Deshalb wird für die heute 35- bis 50-jährigen Führungskräfte der Lebensstandard im Alter mehr denn je von den Ergebnissen der privaten Vermögensanlage abhängen. Nicht erst nach dem Bezug der ersten Renten, sondern bereits einige Jahre vor dem Eintritt in den Ruhestand sollten die Weichen für einen aus ‚finanzieller Sicht sorgenfreien Ruhestand gestellt werden.

Renteneintritt: individuelle Versorgungssituation ermitteln

Wer vor der Frage steht, wie und in welchem Umfang privater Vermögensaufbau betrieben werden sollte, muss im ersten Schritt seinen individuellen Versorgungsbedarf ermitteln. Grundsätzlich muss jeder für sich selbst klären, wie hoch der Versorgungsbedarf ist – wie viel Geld man also im Alter braucht, um ein Leben in ‚finanzieller Sicherheit führen zu können. Ausgehend von den gesamten laufenden Kosten wie Miete, Wohnnebenkosten, Haushaltsgeld, Versicherungen und Kreditraten sollte geprüft werden, welche persönlichen Ansprüche man an das Leben im Ruhestand hat: Reisen oder Hobbys sollten ebenso in der Ausgabenplanung berücksichtigt werden wie die Anschaffung eines neuen Autos, neuer Einrichtungsgegenstände oder auch die Renovierungen von Haus oder Wohnung. Da die individuelle Ermittlung des finanziellen Bedarfs im Ruhestand nicht leicht ist, kann der Versorgungsbedarf auch anhand einer groben Schätzung bestimmt werden: Im Allgemeinen gilt ein Rentenniveau (Nettorente) von 70 Prozent des letzten (hochgerechneten) Nettoentgelts vor dem Renteneintritt als ausreichend, um den Lebensstandard im Ruhestand zu sichern.

Im zweiten Schritt müssen die Anwartschaften von gesetzlichen Renten und Betriebsrenten sowie die zu erwartenden Einkünfte aus sonstigem Vermögen ermittelt werden. Dabei müssen auch Steuern und Sozialbeiträge berücksichtigt werden. Sollte das so ermittelte Rentenniveau niedriger als 70 Prozent des letzten Nettogehaltes sein, ist es ratsam, in Höhe der Differenz privates Vermögen aufzubauen, damit der gewohnte Lebensstandard im Alter aufrechterhalten werden kann. Hierzu ein Beispiel: Bei Hochrechnung eines Nettogehaltes von 75.000 Euro vor Rentenbeginn und Nettorenten von 37.500 Euro ergibt sich eine Versorgungslücke von 15.000 Euro pro Jahr (70 Prozent von 75.000 Euro minus 37.500 Euro). Nach einer Faustformel reicht das 25-fache dieses Betrages in etwa aus, um die Lücke zu schließen. Bei Kapitalverzehr lässt sich nämlich aus einem Guthaben von 375.000 Euro etwa 30 Jahre lang eine monatliche Auszahlung von 1.250 Euro nach Steuern finanzieren.

Geldillusion und Rentenillusion

Bei der Betrachtung der zukünftigen Einnahmen wird häufig die Wirkung der Inflation unterschätzt. Ein Geldbetrag von 10.000 Euro hört sich zunächst nach viel an, entspricht aber bei durchschnittlich zwei Prozent Inflation pro Jahr in 20 Jahren nur noch knapp 7.000 Euro gemessen in heutiger Kaufkraft (vgl. Schaubild 1).

Das heißt, in 20 Jahren wird man für 10.000 Euro noch soviel an Waren und Dienstleistungen bekommen, wie man heute für rund 7.000 Euro kaufen kann. Wird also bei der Hochrechnung der Anwartschaften von gesetzlichen Renten, Betriebsrenten und sonstigem Vermögen nur die nominale Wertentwicklung zugrunde gelegt, unterliegt man der Geldillusion und wiegt sich angesichts der augenscheinlich hohen Beträge in falscher Sicherheit. Deshalb muss neben zukünftigen Steuern und Sozialbeiträgen auch die Inflation berücksichtigt werden. Als Ergebnis solcher Berechnungen erhält man das tatsächliche reale Rentenniveau. Es gibt die Kaufkraft des im Alter verfügbaren Einkommens auf der Basis des heutigen Preisniveaus an.

Portfolio-Check vor Rentenbeginn

Bereits einige Jahre vor, aber auf jeden Fall spätestens zu Beginn der Ruhestandsphase sollten Anleger ihr Portfolio sorgfältig überprüfen. Wie bei jeder Anlageentscheidung müssen dabei zwei grundsätzliche Fragen beantwortet werden. Erstens: Wie viel Risiko kann ich eingehen? Die sogenannte Risikofähigkeit hängt von objektiven Kriterien wie der Höhe des Einkommens und des Vermögens, dem Alter sowie der beruflichen und familiären Situation ab. Die zweite Frage lautet: Wie viel Risiko will ich eingehen? Die Risikobereitschaft hängt unter anderem von der Persönlichkeit und Erfahrung des Anlegers, aber auch von der Renditeerwartung ab (vgl. Schaubild 2).

Sicherheit an erster Stelle

Tendenziell verschiebt sich mit dem Eintritt in den Ruhestand die Priorität der Anlageziele: Sicherheit und Verfügbarkeit werden wichtiger, während die Rendite weniger wichtig und die Notwendigkeit zur Steueroptimierung geringer wird. Bei der Überprüfung des Portfolios sollte eine Risikobewertung für alle liquiden Anlagen erfolgen und das gesamte Portfoliorisiko gegebenenfalls an die geänderte Risikoneigung angepasst werden (vgl. Schaubild 3).

Grundsätzlich sollten Vermögensanlagen im Ruhestand deutlich sicherheitsorientierter ausgerichtet sein als in der aktiven Berufsphase. Auch ist eine sehr breite Streuung der Anlagen sehr wichtig. Im Portfolio sollten verschiedene Anlageklassen (Renten-, Rohstoff- und wertorientierte Aktienfonds) aus unterschiedlichen Ländern und Regionen enthalten sein. Jede dieser Anlageklassen sollte möglichst risikoarm sein sowie unterschiedlich stark und zum Teil auch entgegengesetzt auf Einflüsse von außen reagieren, um temporäre Verluste in einer Anlageklasse durch Gewinne anderer Anlageklassen auszugleichen.

Etwaige Klumpenrisiken, wie sie häufig durch den Erwerb von Mitarbeiteraktien entstehen, sollten nach Ablauf der Bindungsfristen reduziert werden. Außerdem empfiehlt ‚es sich, in turbulenten Zeiten eine etwas höhere Cash-Quote (zum Beispiel Tagesgeld) zu halten, damit der aktienorientierte Teil des Portfolios nach eventuellen Kurseinbrüchen auf einem günstigeren Bewertungsniveau antizyklisch wieder aufgestockt werden kann. Im Rahmen der regelmäßigen Überwachung der Vermögensanlagen sollte von Zeit zu Zeit die ursprüngliche Zielgewichtung zwischen chancenorientierten und defensiven Anteilen wiederhergestellt werden, damit das Portfolio auch langfristig in der Balance bleibt.