Geldanlage: Emotionen verstärken die Krise

Gerade in der Extremsituation einer umfassenden Krise werden Anlageentscheidungen durch Angst oder Gier getrieben. Diese Emotionen und das Bauchgefühl sind menschlich. Bei der Geldanlage können Emotionen jedoch zu systematischen Fehlern führen, erläutert Marion Lamberty, Geschäftsführende Gesellschafterin des VAA-Kooperationspartners FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung mbH in Köln.

Wir befinden uns derzeit mitten in einer noch nicht dagewesenen Krise, die zahlreiche menschliche Tragödien hinterlässt. Für die Wirtschaft bedeutet die Corona-Krise einen abrupten Stillstand in vielen Bereichen. Anders als in der Finanzkrise kam der Schock durch den Shutdown gleichzeitig von der Angebots- und der Nachfrageseite. Als typische Frühindikatoren haben die Finanzmärkte extrem schnell reagiert, denn an den Börsen werden Erwartungen gehandelt. Der Rückgang der Börsenkurse war steiler als in jeder vorherigen Krise. Inzwischen beobachten wir täglich heftige Kursbewegungen nach oben und nach unten, die die Nervosität der Märkte widerspiegeln. Wie sollten Anleger sich in dieser Phase verhalten?

Ruhe bewahren

Zunächst gilt es, Ruhe zu bewahren. Denn Eines ist sicher: Aktienkurse und Bewertungen sind heute niedriger als am Jahresanfang. Das Bauchgefühl und die eigenen Emotionen beeinflussen unsere Anlageentscheidungen negativ. Schon die auf den ersten Blick einfache Empfehlung bei Fonds oder breit gestreuten Aktiendepots „buy and hold“, also das Kaufen und dann Liegenlassen, ist in der Krise extrem schwer auszuhalten. Dabei zeigt die Statistik, dass Aktienmärkte sich regelmäßig erholen und im langfristigen Durchschnitt bessere Ergebnisse erzielen als die meisten anderen Anlageklassen. Doch regelmäßig erreichen wir den Punkt, an dem uns nicht nur äußere Gründe – wie Liquiditätsengpässe – zu einem Verkauf in der Krise zwingen, sondern gerade, wenn schon ein gravierender Kursrückgang zu verzeichnen ist, die Nerven blank liegen.

Dem Herdentrieb widerstehen

Der typische Fehler, der uns bei der Geldanlage begegnet, ist es, dem Herdentrieb zu folgen. Von Angst und Gier getrieben steigen wir bei fallenden Kursen panikartig aus, um später dann dem fahrenden Zug wieder steigender Kurse hinterher zu laufen. Nicht weniger gefährlich ist die Selbstüberschätzung, die uns bei der Geldanlage teuer zu stehen kommt. Dieser Anlegerfehler lässt uns in dem Glauben, dass wir den Markt schlagen können, häufiger hin und her schichten, als es notwendig wäre. Das kann eine kostspielige Angelegenheit sein, denn „hin und her macht die Taschen leer“. Die beiden wichtigsten emotionalen Fallstricke, die sich besonders negativ auf den langfristigen Anlageerfolg auswirken können, sind der Wunsch, den exakt richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg und den Wiedereinstieg zu treffen („Markt-Timing“) sowie die Orientierung an der kurzfristigen Vergangenheit („Rückspiegel-Investments“). Bei „Rückspiegel-Investments“ tun wir heute das, was wir vor der Krise hätten tun sollen, statt das zu tun, was wir uns in einigen Jahren wünschen werden, heute getan zu haben. Wenig tröstlich ist dabei, dass nicht nur Privatanleger, sondern auch Profis durch Emotionen verführt werden, die Krise im Portfolio zu verstärken statt antizyklisch zu reagieren.

Die ursprüngliche Anlageidee verfolgen

Um zu verhindern, dass Emotionen den Anlageerfolg beeinträchtigen, ist es zunächst wichtig, eine langfristige Perspektive zu haben und die einmal festgelegte Strategie auch in schwierigen Marktphasen konsequent zu verfolgen. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind dabei eine möglichst breite Streuung über verschiedene Anlageklassen (Portfoliokonstruktion) und ein disziplinierter, antizyklischer Investmentansatz (Risikomanagement). Niemand weiß, wann an den Finanzmärkten der Boden in der aktuellen Krise erreicht ist und wann genau die Erholungsrallye einsetzt. Um in Krisen durchzuhalten, ist es hilfreich, gedanklich bereits auf größere Turbulenzen an den Märkten vorbereitet zu sein. Fester Bestandteil einer langfristigen Strategie sollte deshalb ein bereits vorgefasster Plan sein, bei abrupten Kursverlusten von wie zuletzt über 30 Prozent an den Aktienmärkten antizyklisch den offensiven Teil der Anlagen schrittweise zu erhöhen und den defensiven entsprechend zu verringern (aktives Rebalancing). Außerdem sollte klar sein, dass jede disziplinierte Anlagestrategie im Laufe eines vollständigen Börsenzyklus (von Hoch zu Hoch beziehungsweise Tief zu Tief) temporär auch schwierige Phasen durchläuft, in denen sie schlechter als der Marktdurchschnitt abschneidet. Eine Erkenntnis, die in den letzten elf Jahren steigender Vermögenswerte etwas in den Hintergrund geraten ist.

Was uns bei der Geldanlage auch durch die jüngsten Rettungspakete in Milliardenhöhe weiter begleiten wird ist, dass das Geschehen an den Börsen durch die massiven Eingriffe der Notenbanken und der Regierungen geprägt sein wird. Aktive und am besten durch vorherige Krisen bereits erfahrene Fondsmanager können gerade in dem aktuell eher ineffizienten Marktumfeld hohen Nutzen erzielen.