Geldanlage: Brexit – planlos ins Chaos

Das Brexit-Votum hat fast alle auf dem falschen Fuß erwischt. Meinungsforscher und Wettbüros hatten nicht mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gerechnet. Auch Politiker und Finanzmärkte waren völlig überrascht. Joerg Lamberty von der FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung zeigt, welche Auswirkungen der Brexit auf die Finanzmärkte hat. Außerdem warnt der VAA- Kooperationspartner, dass es weitere große Risiken gibt, die Anleger berücksichtigen sollten.

Selbst Boris Johnson und Nigel Farage, die trügerischen Ikonen der Brexit-Kampagne, waren nicht auf ihren Sieg vorbereitet. Im Moment der Wahrheit hatten sie keinen Plan. Sie distanzierten sich von ihren Wahlversprechen und verschwanden nahezu fluchtartig aus dem Rampenlicht. Wegen der Furcht vor einer Abkühlung der Weltkonjunktur im Zuge des EU-Austritts der Briten kam es an den globalen Finanzmärkten zu heftigen Turbulenzen: Der DAX fiel zeitweise um rund zehn Prozent, der japanische Aktienindex Nikkei gab fast acht Prozent nach. Der Preis für Gold, das immer dann gesucht wird, wenn die Unsicherheit groß ist, schoss in die Höhe. Auch der Schweizer Franken stieg zum Euro auf den höchsten Stand seit Sommer 2015. Das britische Pfund fiel dagegen zum Dollar um über elf Prozent auf das tiefste Niveau seit September 1985. Wieder einmal waren es fast ausschließlich die Notenbanken, die sich handlungsbereit zeigten. Erneut griffen sie stabilisierend in die Märkte ein, um die Panik zu begrenzen.

„Plan schlägt keinen Plan“, stellte der ehemalige US-Finanzminister Timothy Geithner auf dem Höhepunkt der letzten Finanzkrise zutreffend fest. Zwar kann niemand vorhersagen, wann bestimmte Ereignisse oder Risiken im Laufe eines Börsenzyklus eintreten. Wer aber den aktuellen Stand im Börsenzyklus und die von Finanzexperten diskutierten Risiken kennt, kann trotzdem vorbereitet sein. So hatte eine Risikoumfrage der Allianz-Gruppe unter 750 institutionellen Investoren kurz vor dem Votum der Briten ergeben, dass der Brexit nur eines von vielen Risiken ist. Als größere Risiken, die sich in den nächsten zwölf Monaten negativ auf die Performance auswirken könnten, wurden der Rückgang des Wirtschaftswachstums weltweit und insbesondere in China, geopolitische Spannungen, eine neue Bankenkrise, ein Ölpreisschock und Währungsturbulenzen genannt. Als geringere Risiken wurden ein Anstieg des Zinsniveaus, eine Rezession in der Eurozone, die US- Wahlen, neue Vermögenspreisblasen, Zusammenbrüche systemrelevanter Unternehmen und große Cyberangriffe angesehen.

Defensiv bleibt vorerst Trumpf

Was die Konstruktion und Risikogewichtung ihres Depots betrifft, haben viele Privatanleger leider oft auch keinen stringenten Plan. Vielmehr wählen sie ihre Anlagen aufgrund von in der Vergangenheit erzielten Renditen oder auf Basis von Zeitungsberichten und ähnlich willkürlichen Informationen aus. Häufig wissen sie nicht, welches Gesamt- oder Einzeltitelrisiko mit der Zusammensetzung ihres Depots verbunden ist. Gerade die hohe Gewichtung vermeintlicher Qualitätswerte macht ein Depot in panischen Zeiten besonders verwundbar. So hat es zum Beispiel Finanztitel wie „Deutsche Bank“ oder „Allianz“ sowohl im Jahr 2008 als auch in jüngster Zeit besonders hart getroffen. Dagegen konnte man mit einer defensiven und breit gestreuten Anlagestrategie nicht nur die letzte Finanzkrise, sondern auch die jüngsten Turbulenzen relativ unbeschadet überstehen (vgl. Schaubild).

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Vergleichszeitraum 14. Mai 2007 bis 8. Juli 2016; Quelle: FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung mbH

Lange vor dem Referendum war klar, dass der Brexit tiefgreifende politische, wirtschaftliche und rechtliche Folgen haben würde – sowohl für die EU als auch insbesondere für Großbritannien selbst. Jetzt steht fest, dass eine Phase zusätzlicher Unsicherheiten und Anpassungen bevorsteht, die sich negativ auf Wachstum, Unternehmensgewinne und Börsenkurse auswirken wird. Großbritannien ist in hohem Maße mit der Weltwirtschaft verflochten und London ist einer der wichtigsten internationalen Finanzplätze.

Tiefzinspolitik riskanter als Brexit

Der Brexit ist für sich betrachtet allerdings weniger relevant als seine Wirkung auf die globale Tiefzinspolitik und den damit verbundenen Abwertungswettlauf der Währungen. Nach wie vor stellen die hohe öffentliche und private Verschuldung und die fehlende Handlungsfähigkeit der Politik große Risiken dar. Sie zwingen die Notenbanken zu weiteren aggressiven und marktverzerrenden Maßnahmen, die ihre Handlungsfähigkeit zunehmend einschränken und das Vertrauen in das Geldsystem untergraben. Angesichts der genannten Risiken ist zu befürchten, dass uns in der nächsten Zeit noch einige negative Überraschungen bevorstehen. Auch wenn Art und Zeitpunkt naturgemäß ungewiss sind, sollten wir uns darauf einstellen, dass eine äußerst holperige Wegstrecke vor uns liegt.