Geldanlage: Zwischen Angst und Gier

Die Notenbanken haben die Zinsen zur Rettung des Finanzsystems auf historische Tiefstände gesenkt. Deshalb herrscht nicht nur bei Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds, sondern auch bei privaten Anlegern ein akuter Anlagenotstand. VAA- Kooperationspartner Joerg Lamberty von der FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung beantwortet in seinem Gastbeitrag für den VAA Newsletter die Frage, was jetzt zu tun ist.

Die Stimmung vieler Anleger schwankt zwischen Angst und Gier: Einerseits bringen sichere Anlagen auf absehbare Zeit reale Verluste, andererseits ist es mehr als ungewiss, ob Anleger mit der Aussicht auf zunächst höhere Erträge bei riskanten Anlagen auch langfristig ungeschoren davon kommen werden.

„Animal Spirits“

Angst und Gier sind „Animal Spirits“. Sie können von Zeit zu Zeit – bar jeder Rationalität – zu extremen Schwankungen an den Finanzmärkten führen. Die Gier wird momentan nicht nur durch die fehlenden Zinsen bei sicheren Anlagen, sondern auch durch die unerwartet starken Aktienkurssteigerungen der letzten Jahre angestachelt. Zusätzlich befeuert wird das Gefühl der „verpassten Chance“ durch die Finanzpresse und Teile der Finanzindustrie. Um die Auflage der Wirtschaftsblätter zu  erhöhen oder margenstarke Finanzprodukte zu verkaufen, wird beispielsweise jetzt – nach einem fünfjährigen Anstieg der meisten Aktienindizes – die „fehlende Aktienkultur der Deutschen“ beklagt oder die „Qualitätsaktie“ als alternativlos dargestellt. Dass die Finanzindustrie vielfach ihre eigenen Interessen über diejenigen ihrer Kunden stellt, ist hinlänglich bekannt. Deshalb hat der Gesetzgeber sie inzwischen dazu verpflichtet, ihre Kunden vor einer Produktentscheidung über mögliche Interessenkonflikte aufzuklären. Dass aber auch die Wirtschaftspresse bei den Themen „Geldanlage und Altersversorgung“ eine große Verantwortung gegenüber ihren Lesern trägt, scheint manchen Finanzjournalisten nicht immer bewusst zu sein.

Wie Jason Zweig, ein vielfach ausgezeichneter Kolumnist des Wall Street Journals, kürzlich bemerkte, schreiben Journalisten leider nicht immer das, was ratsam wäre, sondern oft nur das, was ihre Leser „hören“ möchten. Deshalb berichten sie lieber von der Aussicht auf steigende Aktienkurse und hohen Vergangenheitsrenditen, als ihren Lesern mit Warnungen über drohende Risiken an den Märkten die Laune zu verderben.

Doch leider sind Ratschläge, die sich kurzfristig am besten anhören, oft langfristig am gefährlichsten. Was spricht also dafür, gewisse Teile der Finanzpresse und der Finanzindustrie zu ignorieren und jetzt dem Gefühl der Angst ein etwas größeres Gewicht beizumessen?

„Greater Fool Theory“

Robert Shiller, Yale- Professor und Nobelpreisträger, hält inzwischen nahezu alle Anlageklassen für überteuert. Er sieht bedrohliche Parallelen zur Jahrtausendwende, als viele Anleger im Sinne der „Greater Fool Theory“ in Aktien investiert haben, obwohl sie wussten, dass diese eigentlich bereits deutlich überbewertet waren. Getrieben von der Interneteuphorie haben Anleger Aktien damals nur gekauft, um sie später einem Dümmeren zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen. Heute treibt nicht die Interneteuphorie, sondern der Glaube an dauerhaft niedrige Zinsen und die Allmacht der Notenbanken die Aktienkurse auf immer neue Höchststände. Nicht nur Shiller warnt. Auch die Analysen einiger bankenunabhängiger Fondsmanager, die für ihre Anleger über Jahrzehnte sehr gute Ergebnisse erzielt haben, münden in den Tenor, dass in der jetzigen Marktphase „Vermögenserhalt wichtiger als Rendite“ und „Geduld das Gebot der Stunde“ ist.

Auf Rückschläge vorbereitet sein

Natürlich weiß niemand, wie sich die Finanzmärkte kurzfristig entwickeln werden. Klar ist aber, dass das Anlageumfeld äußerst schwierig ist und dass ähnlich hohe Bewertungen bei Aktien und Anleihen in der Vergangenheit auf Sicht der nächsten sieben bis zehn Jahre eher zu enttäuschenden Ergebnissen geführt haben. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger ihre Depots deshalb jetzt auf Rückschläge an den Finanzmärkten vorbereiten und entsprechend defensiv ausrichten. Erst wenn sich die Bewertungsrelationen an den globalen Aktienmärkten deutlich verbessert haben, ist eine schrittweise Erhöhung des chancenorientierten Teils des Portfolios wieder empfehlenswert, um dann bei einem günstigeren Einstiegsniveau von den langfristigen Chancen am Aktienmarkt zu profitieren.