Interview: Sichere Geldanlage trotz Eurokrise

Längst hat sich die Finanz- und Schuldenkrise in Europa zu einer echten Vermögensfalle entwickelt. Im Interview mit dem VAA Newsletter erläutert Finanz- und Vermögensexperte Joerg Lamberty, wie man Geld auch in Krisenzeiten möglichst profitabel anlegen kann.

VAA Newsletter: Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern anzukaufen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den permanenten Schutzschirm ESM abgesegnet. Ist die Eurokrise damit gelöst?

Lamberty: Leider nicht. Politik und Notenbanken haben den Märkten nur signalisiert, dass sie alles tun werden, um ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern. Die Märkte haben diese Botschaft mit Erleichterung aufgenommen und spekulieren jetzt darauf, dass drohende Verluste bei Banken und Staatsanleihen zunächst über neue Kredite vermieden und später womöglich von der Allgemeinheit getragen werden. Doch die massive Verschuldung kann nicht durch noch mehr Schulden gelöst werden.

VAA Newsletter: Wie denn sonst?

Lamberty: Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass schwere Schuldenkrisen nicht kurzfristig gelöst werden können. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird es daher zu schmerzhaften Einschnitten bei allen Beteiligten kommen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann die Krise nur durch eine Kombination aus weiteren Schuldenschnitten, strikten Sparmaßnahmen, höheren Steuern und zeitweise höherer Inflation gelöst werden.

VAA: Was bedeutet dieses Szenario denn für Anleger, die Vermögen für die Altersvorsorge aufbauen möchten?

Lamberty: Anleger sollten damit rechnen, dass sie auch im best case nicht gänzlich von den Folgen der Verschuldungskrise verschont bleiben. Denn die extrem lockere Geldpolitik führt dazu, dass sichere Anlagen deutlich geringere Erträge abwerfen. Anleger müssen deshalb zukünftig mehr zur Seite legen oder im Ruhestand ihren Gürtel enger schnallen. Zusätzlich werden höhere Steuern und ein Anstieg der Inflationsraten das verfügbare Einkommen schmälern.

VAA: Was empfehlen Sie Anlegern vor diesem Hintergrund?

Lamberty: Anleger sollten das Risiko ihrer Depots sorgfältig überprüfen und nicht darauf setzen, dass sie es schaffen, vor möglichen Rückschlägen rechtzeitig auszusteigen. In der jetzigen Marktsituation ist Geduld das Gebot der Stunde. Verlustvermeidung geht vor Gewinnmaximierung. Depots sollten möglichst breit gestreut und eher sicherheitsorientiert ausgerichtet sein. Die Aktienquote sollte erst nach größeren Rückschlägen in mehreren Schritten antizyklisch wieder erhöht werden.

VAA: Sind Aktien als Sachwerte nicht ein wirksamer Schutz, falls die Politik versucht, das Schuldenproblem über höhere Inflationsraten zu lösen?

Lamberty: Angesichts des rückläufigen Wirtschaftswachstums besteht kurzfristig zwar keine Inflationsgefahr, aber mittelfristig ist aufgrund der aggressiven Eingriffe der Notenbanken ein deutlicher Inflationsanstieg von durchschnittlich fünf bis zehn Prozent jährlich durchaus denkbar. Die Entschuldung über Inflation funktioniert aber nur, wenn die Restlaufzeit niedrig verzinslicher Staatspapiere sehr lang ist. Dies ist heute nicht der Fall, weshalb höhere Inflationsraten nicht zu einer schnellen Entschuldung der Staaten führen würden. Was Aktien betrifft, so zeigt ein kritischer Blick in die Vergangenheit, dass diese bei anziehender Inflation eher schlechte Ergebnisse geliefert haben. Deshalb konnten sie tendenziell keinen wirksamen Inflationsschutz bieten.

VAA: Welche Anlagen eignen sich denn sonst als Inflationsschutz?

Lamberty: Ein breit gestreutes Portfolio mit Fremdwährungsanleihen von Staaten mit soliden Finanzen, inflationsgeschützten Anleihen, Rohstoffen und als Beimischung etwas Gold sowie Immobilien oder Immobilienbeteiligungen sollte auch bei anziehender Inflation den Erhalt der Kaufkraft sichern.

VAA: Mit welchen Renditen rechnen Sie denn für die nächsten zehn Jahre?

Lamberty: Mit der notwendigen Vorsicht und Disziplin konnten Privatanleger im letzten Jahrzehnt durchschnittlich fünf bis sechs Prozent pro Jahr nach allen Kosten erzielen. Bei institutionellen Investoren, die tendenziell etwas sicherheitsorientierter anlegen müssen, waren es circa vier bis fünf Prozent. Gerade in turbulenten Zeiten gibt es auch Chancen. Wenn es gelingt, diese Chancen konsequent zu nutzen und größere Verluste zu vermeiden, bin ich recht zuversichtlich, auch in der nächsten Dekade positive Ergebnisse zu erzielen.